An der Uni boomt der Volkstanz
Veröffentlichung im „Wochenkurier“ vom 03.11.2010
Dass junge Frauen und Männer seit 60 Jahren lieber dem Volkstanz den Staub abwedeln, als mit populären Diskotänzen zu punkten, beeindruckt und macht neugierig. Hand aufs Herz: Das Wort Folklore ruft Bilder von Häkeldeckchen, Ofenbänkchen und Klöppelsäcken hervor – Dinge, die dem letzten Jahrtausend angehören. Doch wenn die Folkloretanzgruppe der TU Dresden „Thea Maass“ am 20. November ihr 60. Jubiläum feiert, stehen auf der Bühne keineswegs Senioren, sondern 35 Tänzer zwischen 17 und 40 Jahren.
Wie kommt man als junger Großstadtmensch auf die Idee, die Grundschritte einer Polka oder Mazurka erlernen zu wollen? „Nach vielen Jahren Jazz Dance wollte ich mal etwas anderes tanzen. Volkstänze kann kaum noch jemand und damit kann ich auch endlich ins Ausland reisen“, erklärt die 28-jährige Sabine Kotzsch. Seit ihrem vierten Lebensjahr tanzte sie im Kinder- und Jugendtanzstudio der TU Dresden und wurde durch gemeinsame Auftritte „mit den Großen“ neugierig. Mit 19 Jahren wechselte die heutige Tanzlehrerin ins Folklorefach, bereist seitdem Europa, trifft Gleichgesinnte und lässt auch ihre Modern Dance Schüler nach Folkloreschritten tanzen.
Den Tanznachwuchs der Uni trainiert und lenkt seit 1977 das Ehepaar Gert und Bärbel Hölzel. Auch wenn der 71-Jährige inzwischen die Leitung der Folkloretanzgruppe an Choreografin Maud Butter übergab: „Gert ist immer dabei.“ Der Tanzpädagoge kannte Thea Maass, deren Tanzgut und Namen das Ensemble bewahrt, noch persönlich.
Die Neugier auf alte Sitten und Bräuche boomt wieder: „Seit drei Semestern sind unsere Volkstanzkurse richtig gut besucht. Wer mit uns auftreten will, braucht Taktgefühl, Kondition und Körperbeherrschung.“ Manche Tänze erfordern Wassergläser auf Köpfen zu balancieren oder binnen drei Minuten eine Tracht samt Haarpracht zu wechseln. Viele der jungen Tänzerinnen lassen sich ihre Haare für Flechtzöpfe wachsen und binden sich auch Schicklichkeits-„Eierschalen“ um die Hüften. Die Hobbytänzer hingegen lernen, sich auch schwitzend eine Strumpfhose anzuziehen. „Doch das Wichtigste ist der Spaß daran. Wir sind eine sehr lustige Truppe, in der man auch trink- und feierfest sein sollte“, wirbt Kotzsch. Insgesamt 700 Ehemalige und Förderer sind zur Jubiläumsfeier in zwei Wochen ins Kulturhaus nach Freital eingeladen. Allen Anwesenden gebührt Dank: Sie sorg(t)en dafür, dass alte Volksweisen noch nicht aus unserer Stadt verschwunden sind.
Cathrin Lilienblum